Doch noch Teil meines Lebens.


6 Monate sind wieder um. Wie kann das sein? Ich war doch gerade erst hier.
Überall aus den Zimmern höre ich das Piepen von Maschinen, bei denen die Chemo-Mittel der Patienten der Tagesklinik fertig durchgelaufen sind. Zum Glück gilt dieses Piepen nicht mehr mir – schon lange nicht mehr.
Kontrolle ist gleichzeitig auch immer Konfrontation, mit dem was ich hinter mir habe, und mit dem was immer noch zu meinem Leben gehört. Zu gerne vergesse ich, was mein Körper schon alles durchgemacht hat und zu gerne vergesse ich, dass ich einfach noch nicht wieder der gesunde Mensch bin, der ich vorher war. Zu gerne schiebe ich alles von mir weg, auch wenn mein Körper mir immer wieder aufzeigt, was für mich richtig ist ignoriere ich dies doch zu gerne, um mein Leben so zu leben, wie ich es mir wünsche.


Meine Nase läuft und mein Hals kratzt. Nicht erst seit gestern. Der Husten wird mal besser und mal wieder schlimmer, je nachdem ob ich gerade Antibiotika nehme oder nicht. Keines der Mittel schlägt so wirklich an und somit trage ich seit dem 08. Mai einen Infekt mit mir rum, den ich einfach nicht loswerde. Mittlerweile haben wir den 17. Juni und die 3. Runde Antibiotikum versucht ihr Glück. Ich habe doch so viel vor, so viel zutun in diesem Sommer. Ich bin doch fit, was soll dem im Wege stehen? Corona ist in den Hintergrund gerückt und Medikamente nehme ich schon längst nicht mehr.
Was spricht dagegen, dass ich wieder voll durchstarte? Veranstaltungen finden statt, Feste werden gefeiert und die Angst etwas zu verpassen steigt mit jedem Sonnenstrahl. Nachholen muss ich, was ich die ganzen Jahre verpasst habe. Mittlerweile bin ich 25 – die Jahre, die mir genommen wurden müssen aufgeholt werden.

Schön wär’s.
Meine eigenen Ratschläge auf seinen Körper zu hören und meine ständige Angst etwas zu verpassen stehen dauerhaft im Widerspruch zueinander. Seit Ende 2018 war ich gezwungen eine Maske zu tragen, mein Immunsystem im Keller. Schutz war das Wichtigste, während und auch nach der Therapie. 2020 mit dem Beginn von Corona wurden die Masken nicht nur Normalität in meinem Alltag, sondern auch im Alltag von allen. Wann in dieser Zeit hätte mein Immunsystem sich regulieren sollen? Wann hätte es wieder seine volle Stärke erreichen sollen?
Corona hat mir schon gezeigt, dass mein Immunsystem geschwächt ist. Zwei Infektionen innerhalb kurzer Zeit – Spaß bringt das nicht. Mein erster Gedanke, als der Infekt jetzt durchgekommen ist: Nicht schon wieder. Doch alle Tests blieben negativ.
Die Menschen bewegen sich frei, ohne Maske, endlich wieder. Doch was sich auch frei bewegt sich Viren und Bakterien. Das ewige Desinfizieren, das ständige Tragen einer Maske, das Testen und der fehlende Kontakt zu Menschen haben mir ein gefährliches Gefühl von Sicherheit gegeben und eine falsche Einschätzung meines Immunsystems. Natürlich hatte ich plötzlich keine Erkältung mehr, keine Bronchitis oder Ähnliches. Wie denn auch, so von Viren komplett abgeschirmt?


Es geht mir gut. Zu Kontrollen muss ich im Verhältnis nur noch sehr wenig. Ich freue mich auf einen fantastischen Sommer und eine unbeschwerte Zeit, doch muss ich lernen, dass die Krankheit Leukämie, auch wenn ich sie zum Glück überstanden habe, einfach doch noch Teil meines Lebens ist. Leukämie ist keine Erkältung, kein grippaler Infekt. Leukämie ist eine Krankheit, die der Körper nicht mal eben vergisst. Ich zähle immer noch zu den Risikopersonen und mein Körper gibt mir Signale – Signale auf die ich lernen muss wieder zu hören.


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