Mal kurz. Mal lockig. Mal lang.

Kann mal bitte jemand die Zeit anhalten? Hilfe. Drei Wochen Zuhause sind schon wieder vorbei gerauscht. Drei Wochen mit Freunden und Familie. Drei Wochen ohne das Gefühl krank zu sein. Innerhalb gefühlter Minuten ist die Zeit vorbei gegangen und jetzt sitze ich wieder im Krankenhaus. Frisch operiert mit leichten Schmerzen. Die erste Chemo ist auch schon wieder durch, der nächste Teil folgt dann die nächsten Tage. Dann wieder Anfang Mai. 


Aber warum zur Hölle eine Operation? Mir wurde ein Port eingesetzt. Bisher hatte ich ja immer meine Schläuche am Hals rumhängen, über die ich die Chemo bekommen habe. Das hat jetzt ein Ende. Mir wurde jetzt ein kleines „Kunststoff-Dings“ (Ich weiß nicht wie ich es anders beschreiben soll) über der rechten Brust eingepflanzt. Über dieses „Ding“ bekomme ich ab jetzt Infusionen, Chemos, mir wird darüber Blut abgenommen und, und, und. Dieses kleine Plastik-Ding regelt ab jetzt alles und mein Hals bleibt verschont. Der Port wird ein einziges Mal (wenn natürlich alles gut läuft) eingepflanzt und bleibt dort bis zum Ende der Therapie, während der zentrale Venenkatheter, das Gehängsel am Hals, alle 20 bis 30 Tage erneuert werden muss. Also weniger Anstrengung für alle, sowohl für mich, als auch für die Ärzte. Nur einen Tag nachdem er mir eingepflanzt wurde, haben die Ärzte ihn auch schon in Betrieb genommen. Das war vielleicht ein komisches Gefühl, das sag ich euch. Die Wunde noch taufrisch und schon im Einsatz. Naja, ich will immerhin so schnell es geht wieder nach Hause und dafür muss so schnell es geht die Chemo gegeben werden und dafür wird ja der Port gebraucht. Also ist es mir im Endeffekt recht, die Ärzte wissen schon was sie tun.


Zum Glück stehen bei mir gerade nur fünf Tage Krankenhaus auf dem Plan. Natürlich habe ich Zuhause Kraft gesammelt für die vierte Chemo, aber beim besten Willen, ich möchte nicht noch einen Feiertag im Krankenhaus verbringen, nicht auch noch Ostern. Daher habe ich einen kleinen Deal mit meinem Arzt beschlossen. Ich bin diese Woche hier, bekomme den Port und drei Mal Chemo und dann darf ich zum Wochenende, zu Ostern, nach Hause und kann mit meiner Familie feiern. Direkt nach Ostern muss ich natürlich wieder her, pünktlich zu den einsetzenden Nebenwirkungen, die immer so ca. eine Woche nach der Chemo anfangen und mir versuchen das Leben schwer zu machen, was bisher zum Glück noch nicht so sehr der Fall war. Jetzt sitze ich also hier im Krankenhaus, mit noch leichten Schmerzen über der Brust, die ich ordentlich mit ekelhaftem Paracetamol unterdrücke und möchte eigentlich über ein ganz anderes Thema schreiben als diesen blöden Port. Ein viel schöneres Thema, was nichts mit Schmerzen oder Operationen zu tun hat: Perücken!
Perücken sind etwas so schönes und bringen unendlich viel Spaß, mir zumindest. Was ich noch einmal vorher loswerden möchte: Natürlich habe ich immer noch kein Problem mit meiner Glatze, das habe ich wohl schon das ein oder andere Mal bewiesen, ich fühle mich immer noch sehr wohl, auch ohne eine Kopfbedeckung. Aber ich denke jeder von uns würde sich wohler fühlen, wenn man nicht permanent angestarrt wird, getuschelt wird, oder einem einfach kalt um den kahlen Schädel ist, weil ganz ehrlich, wenn man sein Leben lang Haare hatte wird es ohne plötzlich ganz schön kalt um die Birne. Daher greife ich am aller liebsten, wenn ich unter Leute gehe versteht sich, zur Perücke oder zu Tüchern, die ich zu einem Turban wickle. Zuhause renne ich aber am liebsten einfach ohne Kopfbedeckung rum und wenn es schnell gehen muss macht es natürlich auch ab und an eine Mütze. 


Ich besitze zwei Perücken. Meine erste Perücke ist brünett und kommt vom Perückenmacher. Diese Perücke ist sehr natürlich und kaum jemand erkennt beim Tragen, dass es sich überhaupt um eine Perücke handelt. Dann habe ich noch eine just-for-fun Perücke, die ich mir einfach so, aus Spaß im Internet bestellt habe. Sie ist grau, weil ich eine Zeit lang unbedingt graue Haare haben wollte, es aber leider nie so funktioniert hat, wie ich es mir vorgestellt habe. Da dachte ich mir: Hey, warum nicht als Perücke, wenn sie scheiße ist, wen interessiert’s? Ich habe ja noch meine professionelle Perücke, die ich tragen kann.
Die brünette Perücke ist handgeknüpft und sitzt unglaublich gut auf dem Kopf. Ich spüre sie eigentlich nie beim Tragen. Kein Jucken, kein Zwicken, nichts. Preislich ist die Perücke natürlich auch wesentlich teurer, als mein grauer Selbstversuch. Die professionelle Perücke lag bei ca. 500 Euro. Und ihr denkt euch jetzt wahrscheinlich: Waaaaaaas? Aber ich kann ein bisschen für Beruhigung sorgen. Knapp 400 Euro vom Preis übernimmt die Krankenkasse, weshalb wir nur um die 100 Euro bezahlt haben. Ich bin ein Mathegenie, ich weiß. Jedem Krebspatienten, der durch die Chemo seine Haare verliert steht eine Perücke zu und je nach Krankenkasse wird ein bestimmter Wert übernommen. Eine gute Sache wie ich finde. Natürlich hätte ich auch eine Perücke nehmen können, die im Kassensatz liegt, aber wenn man schon krank ist, will man dann nicht auch Haare, mit denen man sich zu 100% wohl fühlt? Die Perücke habe ich von einem Perückenmacher hier aus Bremen. Eine sehr freundliche Frau ist dann extra zu mir ins Krankenhaus gekommen, um gemeinsam zu schauen, welche Modelle ich gut finde und was zu mir passt. Zu dem Zeitpunkt durfte ich das Krankenhaus ja noch nicht verlassen, so wurde mir die Perücke quasi ans Bett geliefert. Ich bin sehr zufrieden mit der Perücke. Sie ist sehr natürlich und wirkt gerade durch die Strähnen und den etwas stufigen Schnitt wie mein eigenes Haar und absolut nicht wie Kunsthaar. Ja, richtig gehört, auch die 500 Euro Perücke ist Kunsthaar. Allerdings ist die Perücke so gut verarbeitet, dass das absolut nicht auffällt. Das einzig problematische an der Sache ist, dass sie sehr empfindlich gegenüber Reibung ist, so ist Mütze tragen oder mal eben einen Zopf machen nicht drin. Dafür kann man sie waschen und pflegen und sie sieht wieder aus wie neu. 


Zu meinem kleinen Selbstversuch, der grauen Perücke: Für die habe ich richtig Geld gelassen, nämlich ganze 35 Euro. Wahnsinn, oder? Treibe ich mich glatt in den Ruin. Ich dachte mir einfach: Warum nicht ausprobieren? Und surprise, surprise so scheiße ist die gar nicht. Wie man auf den Bildern vom Deich sieht (auf denen ich sie trage), war die Perücke sehr lang und darum auch sehr schwer auf meinem Kopf. Ohne Mütze hat man sofort gesehen, dass es sich um eine Perücke handelt, auch wenn der Ansatz und der Scheitel eigentlich für solch eine „Billig-Perücke“ ziemlich gut verarbeitet sind. Die liebe Bianca hat mir dann den Gefallen getan und die Perücke etwas ausgedünnt und hat dem Ganzen eine Frisur verpasst. Und voila, wie eine ganz neue Perücke! Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal. Es ist so toll geworden! Sie ist jetzt überhaupt nicht mehr so schwer und sieht viel eher aus, wie richtiges Haar. Natürlich lange nicht so realitätsnah, wie die Perücke vom Perückenmacher, aber man kann sie jetzt wirklich gut tragen. Auch ohne Mütze. 
Wie schön ist es bitte sich jeden Tag verändern zu können? Mal rot, mal braun, mal blond. Je nach Gefühlslage. Einen Tag lockig und lang und einen Tag ganz kurz. Warum denn nicht und wann, wenn nicht jetzt? Man muss einfach das positive an der ganzen Situation sehen. Mich juckt es nicht unter einer Perücke (übrigens auch nicht bei der grauen), ich muss keine Haare krampfhaft unter der Perücke mit einem ätzenden Haarnetz verstecken, ich kann sie einfach aufsetzen und los. 
Als kleinen Tipp für die etwas billigeren Perücken: Der Ansatz ist tatsächlich für Leute gemacht, die Haare haben. Dann zieht man von sich noch ein paar „Baby-Haare“ am Ansatz raus und es sieht gleich viel natürlicher aus. Natürlich kann ich das nicht machen, ich muss irgendwie anders tricksen, und das mache ich natürlich auch. Der Ansatz der grauen Perücke ist schwarz und steht daher natürlich sehr im Kontrast zu einer Hautfarbe. Der Unterschied ist daher ziemlich hart. Da kann man ganz einfach mit einem Concealer nachhelfen. Einfach Ansatz und Scheitel ein bisschen aufhellen, sodass es wie Kopfhaut wirkt und gleich ist das Ergebnis viel natürlicher und wirkt realer. 
Ich habe so unendlich viel Spaß daran mich an neuen Frisuren und Schnitten auszuprobieren und mich ständig verändern zu können. 
Die graue, „billige“ Perücke wird ganz sicher nicht meine letzte bleiben, das kann ich versprechen. Da werden noch einige Farben und Schnitte folgen, je nachdem worauf ich gerade Lust habe.  

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