Der Port ist raus.


Und so richtig realisiere ich das noch gar nicht.
Die Stelle, an der sonst eine kleine Erhebung neben einer Narbe zu spüren war, sitzt jetzt ein großes weißes Pflaster. Der Port ist raus, endlich. 

Seit Februar 2019 hatte ich das kleine, runde (?) Teil über meiner rechten Brust, durch das mir Blut abgenommen wurde, aber wodurch mir vor allem massenweise heilendes Gift in meinen Körper gepumpt wurde. Immer und immer wieder wurde der Port bis aufs äußerste strapaziert – bis jetzt, denn jetzt sitzt er nicht mehr über meiner Brust, sondern liegt in einer Plastiktüte bei meinen Krankenhausunterlagen.

„Möchtest du den Port mitnehmen, oder sollen wir den direkt entsorgen?“ – hm, eigentlich würde ich schon gerne einmal sehen, was ich die letzten 4 Jahre so mit mir rumgetragen habe und was mir letztlich mein Leben um einiges erleichtert hat. „Ich nehme ihn mit!“ 

So schön das Gefühl ist so ein Ding hoffentlich nie, nie, nie, niemals, niemals, nie mehr zu brauchen, umso schlimmer war meine Nervosität vor der Portexplantation. 

Das Teil kommt raus? Super – easy peasy, gaaaar kein Problem – ging mit Narkose rein, kommt mit Narkose wieder raus, klare Sache. Zu früh gefreut, beim Vorgespräch zur OP machte mir der zuständige Arzt ziemlich schnell klar, dass die Explantation viel einfacher wäre und dementsprechend eine Narkose nur unnötige Zeit aufwenden würde. Zusätzlich könnte ich nach einem ambulanten Eingriff mit örtlicher Betäubung direkt wieder nach Hause. Trotz meines aufsteigenden Zweifels wollte ich auf keinen Fall nach der OP im Krankenhaus bleiben und klammerte mich an den Gedanken so schnell es geht wieder auf meiner Couch zu liegen und mich nicht im Krankenhausbett auskurieren zu müssen. „Na gut, es ist ein Routineeingriff – halb so schlimm“, sagte ich mir immer wieder in der Hoffnung mich vielleicht irgendwann selbst überzeugen zu können.

Ich sage mal so, kurz vor der Portexplantation lagen meine Nerven blank. Die wollen jetzt wirklich an mir rumschnibbeln ohne, dass ich schlafe? Also so wirklich bei vollem Bewusstsein? Gruselig!
Als ich in den OP geschoben wurde schlug mir mein Herz bis zum Hals, was einer der drei anwesendes Ärzte schnell merkte. Er begann sich mit mir zu unterhalten, mir Fragen zu stellen und scherzte gemeinsam mit den anderen Ärzten und mir rum. Die Situation und meine Anspannung lösten sich etwas. „Sie dürfen auch Musik hören, überhaupt kein Problem“ – dankbar steckte ich einen AirPod in mein Ohr und machte so angenehme Musik wie möglich an und hoffte so auf andere Gedanken zu kommen.

Bevor es losging wurde ich mit Tüchern abgedeckt, sodass ich nichts sehen konnte. Zum Glück – mir anzuschauen, wie ich aufgeschnitten werde – nein, danke. 

Die Betäubung wurde gespritzt, was wenn ich ehrlich bin das Schmerzhafteste am gesamten Eingriff war. Um ganz ehrlich zu sein, es gab überhaupt nichts schmerzhaftes mehr, gar nicht, null. Aber meine Nervosität ablegen? Keine Chance!  Zu meinem Glück sprach, neben der beruhigenden Musik auf meinem rechten Ohr, den gesamten Eingriff einer der Ärzte mit mir und versuchte mich mal mehr und mal weniger erfolgreich vom Geschehen auf der anderen Seite des Tuches abzulenken. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde der vorletzte Stich gesetzt um meine Wunde zuzunähen, als ich plötzlich ein leichtes Piksen wahrnahm. „Es pikst.“ – „Es piepst?“, der nächste Stich folgte uns das Piksen wurde deutlich spürbarer und meine Stimme merklich lauter: „JA, es pikst!!!“ – „Okay, das war dann auch der letzte Stich – du hast es geschafft.“

Der Port ist raus und ich versuche das noch ein bisschen zu verstehen, dass nie wieder durch meinen 4-jährigen Begleiter Blut oder andere Flüssigkeiten laufen werden. 

Um ehrlich zu sein war das schlimmste am gesamten Eingriff meine Nervosität, denn Schmerzen hatte ich keine. Die Situation wach in einem OP zu liegen und zu merken, dass etwas an einem vorgenommen wird ist trotzdem für mich weiterhin ein sehr unangenehmer Gedanke und ich bin froh, wenn ich das möglichst so schnell nicht wieder erleben muss. 

Trotzdem möchte ich noch ein paar abschließende Wort finden, für alle, die es noch vor sich haben: Versucht euch nicht so verrückt zu machen wie ich es getan habe. Es ist einfacher gesagt, als getan – ich weiß, aber mit dem Wissen was ich jetzt habe, hätte ich mir den ganzen Stress ersparen können, denn das war wirklich das schlimmste an der Explantation.


Ich bin dankbar, dass ich den Port hatte und er meine Therapie so erleichtert hat. Ich bin dankbar, dass die Ärzte alle immer so toll zu mir waren und mich in jeder Situation unterstützt haben und vor allem bin ich dankbar dieses kleine Ding nicht mehr zu brauchen und es endlich nicht mehr über meiner Brust zu tragen. Ein weiterer, großer Schritt in Richtung Gesundheit ist geschafft. Ich bin dankbar. 

Wunsche sind da, um sie zu erfüllen.


Die Welt um mich herum dreht sich. Sie dreht sich schnell, so unglaublich schnell. Schneller als jemals zuvor. Während die Welt 2020 scheinbar stillsteht, passiert bei mir so viel. Träume werden erfüllt, neue Lebensabschnitte gestartet. Es passiert gar nichts und doch so viel. Die Welt steht scheinbar still, doch dreht sich um mich herum schneller als ich es jemals erwartet hätte. 

Es ist schon so lange her, dass ich mich das letzte Mal hingesetzt- und geschrieben habe.

Wann auch? Irgendwie fliegen die Tage nur so an mir vorbei. Montag, Freitag, Sonntag und schon wieder Montag. Jeder Tag dauert gefühlt 30 Minuten und ist dann auch schon wieder vorbei. Ich genieße es unendlich doll. Über ein Jahr habe ich nicht gearbeitet, weil es einfach nicht ging. Sowohl mein Körper, als auch physisch wäre ich dazu absolut nicht in der Lage gewesen. Wie sagt man so schön: Die Gesundheit geht vor  – und genau das war zu jeder Zeit mein Fokus. Nach einem Jahr ging es mir zwar schon ganz gut, jedoch übernehmen sollte ich mich auf gar keinen Fall. Was macht man dann? Ausschlafen? Nichts tun, während alle anderen produktiv sind? Am Besten noch den ganzen Tag fernsehen? Jeder, der schon einmal länger als 2 Wochen Urlaub hatte kennt das bestimmt: So für 2 Wochen ist es ganz cool ausschlafen zu können – man lebt in den Tag hinein. Es ist entspannt und man hat viel Zeit für sich – klingt doch super. Es ist super, bis dann die 2 Wochen vorbei sind und das entspannte Gefühl sich in Langeweile umwandelt, die sich dann in eine Art Angst entwickelt. Angst nicht mitzukommen. Ich bin 23 und kann mein Studium nicht weiter machen. Alle, aber wirklich alle um mich herum schließen ihre Ausbildungen ab oder schreiben ihre Bachelor-Arbeiten, alle um mich herum arbeiten und sichern sich ab für ihr Leben. Und ich? Ich bin durch einen Umstand an die Wohnung gekettet und darf nur minimal arbeiten, um mich selbst nicht zu überlasten. 

2020 sollte meine zweite Zeit in Isolation und gleichzeitig mein Neustart in ein normales Leben werden. Ein stinknormales Leben mit einem geregelten Job, festen Arbeitszeiten, einer tollen Wohnung und zwei wundervollen Kätzchen.  2020 ist auf so vielen Ebenen einfach ein ganz schlimmes Jahr, aber andererseits auch mein Neustart, meine Wiedergewinnung der Normalität und der Verlust dieser Angst nicht hinterher zu kommen. Ich bin 23 – 2 Jahre sind weg. Das ist jetzt so und das wird sich nicht mehr ändern, aber was soll’s! Wie viel liegt denn bitte noch vor mir? Wie viele Wünsche kann ich mir noch erfüllen und wie sehr kann ich es genießen zu tun, was ich möchte und nicht ständig an die Wohnung gefesselt zu sein. 

Am 01. August habe ich eine Ausbildung gestartet. Endlich! Die letzten Monate habe ich mich zwar mit Nebenjobs über Wasser gehalten, doch etwas handfestes habe ich einfach noch nicht in der Tasche. Es ist ein so schönes Gefühl wieder etwas für meine Entwicklung tun zu können – so wie gesunde Menschen – so, wie alle anderen auch. Ich lerne so viele tolle neue Menschen kennen und gewinne tausend neue Eindrücke. Das Leben geht weiter und nach einem endlosen halben Jahr, nach Beendigung der Intensivtherapie darf ich wieder produktiv sein, darf mein Leben weiterleben. 

Als wäre das alles nicht schon aufregend genug für mich, habe ich mir zusätzlich auch noch einen großen Traum erfüllt. Schon ganz lange wünsche ich mir zwei Kätzchen, die mich auf Trapp halten und durch die Wohnung scheuchen. Wenn ich etwas aus der Krankheit gelernt habe, dann dass man nichts aufschieben sollte. Es klingt zwar, wie ein kitschiger Wand-Tattoo-Spruch, doch es ist die Wahrheit – Wünsche sind da, um sie zu erfüllen. Nachdem ich lange gar keinen Kontakt zu Tieren haben durfte habe ich mir jetzt meinen Traum erfüllt und bin ganz verliebt in meine Schätze. 

Ob Corona mir das Jahr versaut hat? Niemals! Ich hätte niemals damit gerechnet, dass dieses Jahr so stattfindet. Ich dachte an Partys, Festivals, Sommerabende am Wasser mit einem Glas Aperol in der Hand und Live-Musik im Hintergrund. Es hätte so schön sein können. Doch ist es jetzt nicht auch schön?

Ich bin nicht in der Situation mich irgendwie beschweren zu wollen. Mein Jahr 2020 ist großartig, nur auf eine ganz andere Weise, eine Weise, die ich mir hätte niemals erträumen lassen. Keine Festivals, keine Partys, keine Menschenmengen und trotzdem, die Menschen, die ich liebe um mich Herum, und die Schritte die ich gehen wollte und will gehe ich und das in einem so hohen Tempo, trotz Corona, trotz eines „versauten“ Jahres.
Es ist ein leidiges und nerviges Thema, das keiner mehr hören kann und ich bin mir sicher, dass jeder mindestens 300 Kreuze macht, wenn alles vorbei ist.  Doch bis dahin sind wir kreativ und machen 2020 zu dem, was es ist: Einem Ereignisreichen Jahr, was uns im Nachhinein vielleicht nicht nur negativ in Erinnerung bleibt. 

Zuhause.


Die Zeit vergeht so schnell und es überschlagen sich die Ereignisse. Jetzt sitze ich hier zwischen all den Kartons, die sich in der kleinen Wohnung gefühlt bis unter die Decke stapeln. Ein normales „durch die Wohnung laufen“ ist nicht möglich. Es herrscht Chaos. Und trotzdem denke ich an alle Momente zurück. 

Nach dem Feiern sind wir hergekommen um hier zu pennen. Immer wieder haben wir mit unseren Leuten hier zusammen gesessen und gelacht. 

Ich weiß noch, als ich das erste Mal hergekommen bin und mir dachte: Verdammt ist das schön hier. Außen Pfui, innen Hui. Wir hatten so viel Spaß hier, bis ich dann krank wurde. 

Du hast mich hier aufgefangen und schnell wurde es zu meinem Zuhause. Quasi zwangsläufig und ungeplant sind wir dann zusammengezogen. Du hast mir hier ein Zuhause geschenkt, einen Ort auf den ich mich freuen konnte, wenn ich aus dem Krankenhaus kam. Doch vor allem Du hast ihn zu meinem Zuhause gemacht. 

Niemand hätte je gedacht, dass wir sowas durchmachen müssen, doch jetzt hat sich das Blatt gewendet. Alles verändert sich und wir können einen großen Teil der Geschichte hinter uns lassen. Es öffnet sich ein neues Kapitel, auf das ich mich unendlich freue. Neuer Job, neue Wohnung, neues Leben. Ich freue mich auf die neue Wohnung, für die wir uns selbst entschieden haben, wir selber und kein zwangsläufiger Umstand. Ich freue mich auf all die neuen Momente, die auf uns zukommen. 

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge verlasse ich unser kleines Zuhause um weiterzuziehen. Mir bleibt nichts Anderes, als Danke zu sagen. Danke, für den Zufluchtsort, den du mir gegeben hast, als ich ihn gebraucht habe. 

Auf eine strahlende Zukunft in einem neuen Zuhause, welches wir mit guten Erinnerungen füllen werden. 

Kreativität & Vorsicht.


Einige Wochen sind vergangen und was soll ich sagen? Es gab bisher auch einfach nichts zu erzählen. Meine Aktivitäten in der letzten Zeit lassen sich auf spazieren, kochen, backen, putzen und Sonne tanken reduzieren. Natürlich hocke ich nicht nur auf der Couch, sondern gehe auch vor die Tür, um mich zu bewegen. Es geht so schnell, dass der Körper Muskeln abbaut und das kann ich wirklich nicht noch einmal gebrauchen. Aus dem Grund soll ich sogar vor die Tür gehen, natürlich am besten ganz alleine und mit reichlich Abstand zu anderen Menschen. 

Einmal die Woche steht auch der Besuch beim Wochenmarkt an. Ich habe mir da einen kleinen Trick überlegt, der vermutlich nicht für jeden etwas wäre. Langschläfer kommen hierbei eher nicht auf ihre Kosten. Mein Tipp: So früh hingehen, wie es nur geht. Für mich heißt es so ca. 7:30Uhr, da bin ich dann fast komplett alleine und kann alles was ich brauche in Ruhe besorgen. Gehe ich dann gegen 10Uhr raus ist der Markt tatsächlich ziemlich voll und das wäre mir einfach zu riskant. 
Da meine Reha auf der Kippe steht, beziehungsweise es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie stattfindet, bin ich auf den „Sport-Zug“ mit aufgesprungen und gehe mehrmals die Woche Joggen. Ich muss zugeben: Gerne mache ich das nicht, aber nichts tun ist für mich keine Option. Ich fühle mich heute so fit, wie lange nicht mehr und das ist so ein fantastisches Gefühl. Quasi Reha von Zuhause. 


Häufig vergesse ich tatsächlich einfach was da draußen momentan eigentlich so los ist und werde unvorsichtig. Das Wetter lädt natürlich dazu ein nachlässiger zu werden und die Corona-Vorsichtsmaßnahmen zu „vergessen“. Ich kann das absolut nachvollziehen, es ist ja auch einfach nur menschlich bei der wundervollen Sonne nicht in der Bude hocken zu wollen, geht mir ja genauso. Jedoch hat es nichts damit zu tun sich trotz der Regelungen in Gruppen mit 5-6 Personen, häufig auch mehr, zu treffen und auf alles zu scheißen. Die Vorkehrungen werden zwar momentan gelockert, jedoch heißt es noch lange nicht, dass jetzt alles vorbei ist. Es ist ein absoluter Irrglaube zu denken, dass der Virus weg ist. Wenn wir danach gehen würden, wäre die Pandemie bald schneller und stärker zurück, als vorher. Ich weine um den Festival-Sommer. Ich weine um all die schönen Veranstaltungen, die diesen Sommer nicht stattfinden können. Ich weine um Deichbrand, ich weine um den Musiksommer im Fischereihafen und ich weine um die Sail. Endlich wieder loslegen zu können, endlich wieder Spaß haben, endlich wieder auch solche Veranstaltungen genießen zu können, wie alle anderen. Das war der Plan für dieses Jahr. 2020 wird mein Jahr habe ich gesagt und dann kam Corona. Doch was bringt das Meckern? Nichts, richtig! Ich bin traurig, ich bin wahnsinnig traurig, doch weiß ich auch, dass es mir dieses Jahr gut gehen wird und das macht es schon zu meinem Jahr. Auch ohne Veranstaltungen werde ich diesen Sommer in vollen Zügen genießen und jeden Moment versuchen so schön wie möglich zu machen, ohne mein Umfeld, meine Familie oder mich selbst zu gefährden.

Ich vermisse meine Familie und ich vermisse meine Freunde, doch bin ich nicht alleine und dafür bin ich unendlich dankbar. Wann kann man sich wieder ohne Bedenken besuchen? Wann muss man nicht mehr sein Leben nach diesem Virus ausrichten? Ich bin gespannt und kann es kaum erwarten. Doch trotz meiner Ungeduld heißt es jetzt weiter durchhalten und die Füße stillhalten. 
Der Sommer kommt trotzdem und er wird trotz dieses ganzen Spukes ein toller Sommer, den wir so schnell nicht vergessen werden, da bin ich mir sicher! Kopf in den Sand stecken hat noch nie jemandem etwas gebracht. Kreativität und trotz allem Vorsicht sind jetzt angesagt, um den Sommer 2020 zu einem Schönen zu machen.

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Ganz frisch 2 Artikel zu meiner Geschichte in Verbindung mit Corona:
https://www.bild.de/regional/bremen/bremen-aktuell/fenja-23-sie-hat-leukaemie-besiegt-jetzt-hat-sie-angst-vor-corona-70141878.bild.html

https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bloggerin-aus-bremerhaven-kennt-soziale-distanz-durch-ihre-krebserkrankung-_arid,1909113.html

https://www.norderlesen.de/Leute/Moin-Fenja-Harms-Kaffee-Talk-40687.html

Sportskanone.


Die Monate vergehen so schnell. Die vermutlich schlimmste Zeit meines Lebens rückt immer weiter in die Vergangenheit. „Es ist so schön, dass du es geschafft hast“, höre ich so oft. Klar ist der schlimmste Teil vorbei, doch geschafft ist es für mich erst, wenn nach 5 Jahren die Ärzte sagen: „Sie sind gesund.“ 
Ich werde immer fitter, sowohl mental als auch körperlich. Mein Chemohirn und die damit verbundene Vergesslichkeit kommt kaum noch vor. „Mein Hirn ist ein Sieb“, gehört immer mehr zur Vergangenheit. 

Eine große Sportlerin war ich nie, doch brauche ich den Sport jetzt so sehr, wie noch nie zuvor. Während der Chemotherapie sind die Kilos so gepurzelt und ich habe 10kg abgenommen. Gefühlt 10kg an Muskeln. Ich war und bin zwar schlank, aber meine Haut war überhaupt nicht straff, sondern eher schwabbelig. Dinge, wie Treppen steigen oder gar rennen wurden zu einer großen Hürde. Einfach mal kurz ein paar Meter rennen ging gar nicht mehr, meine Beine wären so weggeknickt. 

Mannschaftssport ist überhaupt nicht meins und die Überwindung zum Joggen fällt mir doch noch sehr schwer. Meine neu entdeckte Leidenschaft ist das Schwimmen. Mindestens einmal die Woche versuche ich für eine Stunde Bahnen schwimmen zu gehen. Dabei kann ich abschalten, mich fokussieren und bin ganz bei mir. Vielleicht ist es auch, weil es mir während der Intensivtherapie strengstens verboten wurde, denn wie sagt man so schön: „Der Mensch will immer das, was man nicht haben kann.“ 
Es ist so wohltuend. Erst richtig Bahnen schwimmen und dann noch im warmen Becken einfach abschalten und entspannen. Für mich ein kleines Wochenhighlight.

Beim Schwimmen ist es vor allem gut, dass ich erst hinterher merke, was ich getan habe und nicht wie zum Beispiel beim Joggen schon halb sterbe, währenddessen ich noch unterwegs bin. Es tut einfach gut. 


Sport war für mich immer eine Last und ich habe es nie gerne gemacht. Die große Sportlerin werde ich vermutlich auch nicht mehr, aber ich habe etwas gefunden, was mir hilft meinen Körper wieder zu stärken. Wenn man absolut keine Muskeln mehr hat kann man total schön sehen, wie es immer mehr wird und wie man immer fitter wird, so soll es weitergehen. Ich genieße jede Bewegung und entdecke endlich das Schöne am Sport. 

Zwei Mal die Woche gehe ich mittlerweile für ein paar Stunden arbeiten, auch das tut einfach gut. Produktiv sein und feste Termine zu haben, auf die ich mich einstellen kann ist wunderbar. Hätte man mir noch vor 2 Jahren gesagt, wie sehr ich mich über Sport und Arbeit freuen würde, hätte ich die Person auf jeden Fall ausgelacht. Über sowas kann man sich doch nicht freuen – Doch, kann man! 

Das Krankenhaus rückt immer mehr in den Hintergrund. Einmal die Woche muss ich mich noch zur Blutkontrolle und Medikamentengabe dort für ein, zwei, höchstens drei Stunden blicken lassen. Es ist ein auch feststehender Termin, der definitiv zu meiner Woche gehört, an den ich absolut gewöhnt bin und der nach kurzer Zeit abgearbeitet ist und mir nicht unnötig viel Zeit raubt. Ich muss mich, bis auf die Medikamente, die ich noch nehme und immer noch jeden Freitag bekomme, kaum noch mit lästigen Behandlungen auseinandersetzten. Selbst Punktionen müssen nur noch alle drei Monate gemacht werden. 

Es ist so schön selber zu merken, wie man Tag für Tag stärker wird und auch bei körperlich anspruchsvolleren Aktivitäten nicht immer direkt raus sein zu müssen. 

Im Sommer geht’s richtig los und bis dahin genieße ich meine Zeit so gut es geht mit meinen Freunden und meiner Familie. Ich genieße aber auch die Momente, wie beim Schwimmen, in denen ich mit dem Kopf einfach nur bei mir bin und meine Gedanken einfach schweifen lassen kann. Diese Zeit für mich genieße ich und die brauche ich auch. Meiner Meinung nach tut man viel zu wenig für sich selbst. Es ist doch so leicht sich einfach mal eine Stunde zu nehmen, um sich etwas Gutes zu tun. Mir hilft es, mir geht es gut – sowohl körperlich als auch mental und ich bin unendlich froh das von mir behaupten zu können. Es geht in großen Schritten Richtung Gesundheit! 

P.S. Am 04. Februar, dem Weltkrebstag 2020 lief auf Sat1-Regional (Bremen-Niedersachsen) ein Beitrag über meine Geschichte. Ich bin unendlich dankbar, dass ich durch den Beitrag meine positive Einstellung weiter verbreiten – und hoffentlich dem Einen oder Anderen Mut machen konnte. Der Beitrag hat mich und meine Persönlichkeit unglaublich gut wiedergegeben und ich bin froh so offen reden zu dürfen. 
Wer den Beitrag noch nicht gesehen hat, kann ihn super gerne in der Mediathek von Sat1-Regional nachschauen: 

https://www.sat1regional.de/20-weltkrebstag-junge-bremerhavenerin-berichtet-vom-kampf-gegen-leukaemie/

Die langersehnte Nachricht.

Eigentlich hatte ich schon einen kompletten Beitrag für meinen Blog fertig geschrieben, doch heute kam dann alles ein wenig anders, als ich erwartet hatte. 
Die Erhaltungstherapie startet – endlich. Eigentlich sollte es schon Anfang der Woche los gehen, doch wegen Platzmangel auf meiner Station wurde es immer wieder verschoben, bis heute. Es muss weiter gehen, dachte ich mir die letzten Tage immer wieder. So schön es den letzten Monat ohne Krankenhaus war und so sehr ich die Normalität und selbst die Langeweile genossen habe, so sehr war immer noch der Gedanke in meinem Kopf, dass sich Leukämiezellen in meinem Körper befinden und immer noch nicht alles weg ist. Es muss weiter gehen, dachte ich nur. Es muss weiter gehen in Richtung Gesundheit. Der Krebs muss weg und das komplett.

Heute war es endlich so weit, die Erhaltungstherapie sollte starten. 
Die erste Nachricht, die der Arzt mir dann quasi zwischen Tür und Angel übermittelte: „Bei der letzten Punktion konnten keine Krebszellen mehr bei Ihnen gefunden werden. Es sind keine mehr da.“ – Wow! Natürlich muss immer noch gut drauf geachtet werden, es muss kontrolliert werden, und ich muss weiterhin starke Medikamente bekommen, aber Wow! – was für eine Nachricht. Was für eine großartige Nachricht! 

Ich habe mich den letzten Monat so normal gefühlt, überhaupt nicht krank. Tag für Tag habe ich gespürt, wie mein Körper stärker und kräftiger wurde. Tag für Tag konnte ich Dinge erledigen, auch anstrengende Dinge, ohne komplett erschöpft oder kaputt zu sein. Es fühlt sich einfach nur gut an. Selbst mit „Sport“ habe ich wieder ein wenig angefangen. Sport im weitesten Sinne… es sind kleine Übungen und Yoga für Anfänger, aber hey, immerhin. Selbst den Muskelkater genieße ich. Wie lange hatte ich bitte keinen Muskelkater mehr? Es ist verrückt. 

Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass es nach der letzten Chemo einfach nur wieder besser geworden sein kann, aber dass gar nichts mehr gefunden wurde hätte ich nicht erwartet. Es ist ein großartiges Gefühl.

Nach jeder Punktion immer wieder ein „Es ist besser geworden, aber immer noch nicht ganz weg“ war mittlerweile normal. „Bis zur Erhaltungstherapie bekommen wir die blöden letzten Krebszellen noch weg“, hat mein Arzt immer gesagt und siehe da – endlich! 

Es geht mir gut – wirklich gut. Nicht den Umständen entsprechend gut, sondern einfach gut. Ich kann wirklich nicht beschreiben was für ein fantastisches Gefühl es ist, das von mir behaupten zu können. Es tut so verdammt gut wieder selbstständiger und vor allem kräftiger zu werden. Einfach großartig. 

Ein neuer Schritt in Richtung Gesundheit starten heute. Mit Sicherheit wird auch dieser Weg kein Spaziergang, aber ich bin nicht mehr so abgeschottet von einem normalen Leben. Trotz Krankenhaus Normalität – und das ist auch gut so! Meine neu gewonnene Freiheit gebe ich so schnell nicht wieder her. 

Wie angenehm ein ganz Normaler Alltag, ein ganz normales Leben sein kann, lernt man erst zu schätzen, wenn es einem genommen wird. Letztes Jahr kurz vor Weihnachten, am 12.12. habe ich meine Diagnose bekommen. Heute, ein knappes Jahr später, am 05.12. endlich die lang ersehnte Nachricht: Keine Krebszellen mehr. Das schönste Weihnachtsgeschenk, was ich jemals bekommen habe und vermutlich bekommen werde. Ein riesen Schritt in Richtung Gesundheit.

2019 war ein scheiß Jahr und ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist. Die Krankheit hat mein ganzes Jahr in Anspruch genommen, doch ich habe mich nicht unterkriegen lassen und ich werde alles dafür tun, dass diese beschissenen Zellen auch wegbleiben. 
Gesundheit ist das wichtigste Gut, das ein Mensch besitzen kann, das dürfen wir niemals vergessen. Eine Krankheit wünscht man keinem. #fuckyou2019 #fuckyoucancer Auf ein besseres 2020 und darauf, dass diese scheiß Krebszellen nicht mehr wiederkommen. Auf in die Erhaltungstherapie – los geht’s. 

Oh Herbst, lang ersehnter Herbst.

Der Herbst ist gekommen, es fühlt sich schon fast an wie Winter. November, 11 Monate sind vergangen seit der Diagnose. 11 Monate, die wahrlich kein Spaziergang waren. 11 Monate voller Krankenhaus, voller Untersuchungen, voller körperlicher Schwäche. Aber auch 11 Monate voller Dankbarkeit, voller Fortschritte und voller Liebe. Noch nie habe ich mich so nah meinen Freunden und noch viel mehr meiner Familie gefühlt. Diese 11 Monate sind nun endlich vorbei, die Intensivtherapie ist vorbei und das wurde auch wirklich Zeit. 

Nie wieder Chemo, toi toi toi! Hoffentlich nie wieder wegen dieser scheiß Krankheit länger im Krankenhaus bleiben und nie wieder so sehr auf andere Menschen angewiesen sein. Es nervt! Natürlich fahren meine Eltern und mein Freund mich überall hin, wo ich hinmuss. Aber ich habe es satt. Ich möchte nicht mehr, dass sie wegen mir später zur Arbeit fahren, oder ihren Nachmittag verschwenden, ich möchte selbstständig sein, möchte auf niemanden angewiesen sein. 

Der Herbst ist gekommen, die Intensivtherapie ist vorbei. Der schlimmste Teil der Therapie ist geschafft und ich kann endlich wieder mein Leben Richtung Normalität steuern. Wie schön ist es einfach selbstständig über sein Leben bestimmen zu können? Selbst entscheiden, wann man wo ist und was man wann machen möchte. Ich bin unendlich froh endlich nicht mehr fremdbestimmt durchs Krankenhaus zu sein und mein Leben nicht mehr nach den Chemo-Zyklen planen zu müssen. Endlich wieder selbstständig sein. Selbstständig Termine machen, selbstständig planen, selbstständig seinen Aufenthaltsort bestimmen, selbstständig mein eigenes Geld verdienen. 

Vor genau 3 Tagen wurde ich endlich zum letzten Mal entlassen und was macht mein Körper zu aller erst? Genau, krank werden. Natürlich muss ich trotzdem weiterhin aufpassen, dass ich mir keine Infekte einhandle und bin natürlich auch noch ordentlich anfällig dafür, aber ich kann mir auch vorstellen, dass mein Körper einfach die ganze Anspannung von sich gelassen und einfach mal losgelassen hat. 11 Monate lang war es absolut unerwünscht krank zu sein, da die Chemo hätte verschoben werden müssen und kaum sind die Chemo-Zyklen vorbei, zack krank. Das nenne ich Timing. 

Gut erholt und befreit von der kleinen Erkältung, die ich momentan mit mir rumschleppe, kehre ich am 02.12. ins Krankenhaus zurück und starte die Erhaltungstherapie. Komplett krebsfrei bin ich offiziell noch nicht, aber der Weg dahin ist nicht mehr weit. 2,5 Jahre Erhaltungstherapie stehen mir noch bevor. Und 5 Jahre nach der Beendigung der Therapie ist man erst wieder wirklich „gesund“

Der Herbst ist gekommen und ich schaue auf ein 2020, welches nur besser werden kann als dieses verfluchte 2019. 2020, ein Jahr voller Selbstständigkeit, voller Fortschritte und voller Erfolge. 2020, ein Jahr in dem ich hoffentlich meine Dankbarkeit zeigen kann und soviel wie möglich zurückgeben möchte. Ich bin froh den schlimmsten Teil der Therapie überstanden zu haben und blicke in eine schöne Zukunft. Ich musste 2019 schlagartig erwachsen werden und nehme aus diesem Jahr so viel an Erfahrung und Stärke mit in die Zukunft. Wie sagt man so schön? „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker“, und so blöd der Spruch auch ist, er stimmt. Ich bin stärker denn je und so möchte ich ab jetzt auch leben. 

Intensivtherapie – die Letzte.

Wie fühlt es sich an mitten im letzten Chemoblock zu stecken? Wie fühlt es sich an kurz vor dem Ende der Intensivtherapie zu stehen? Sollte ich nicht springen und tanzen? Wirklich feiern werde ich wahrscheinlich erst können, wenn der Arzt mir in einigen Jahren sagt: „Frau Harms, Sie sind gesund!“ 
Die Ärzte sind sehr zufrieden. Klar gibt einem das ein sicheres Gefühl, doch gleichzeitig ist da dieser kleine Teil an Zellen, der eben noch nicht weg ist und einem ein mulmiges Gefühl im Magen verschafft. 
„Dieser Teil ist so minimal, dass die Therapie und auch die Erhaltungstherapie ganz normal ablaufen können – wir sind uns sicher, dass auch dieses letzte Stück dann mit der Zeit verschwindet.“ Es ist schön solche Worte zu hören, doch im Hinterkopf flüstert leise eine Stimmte: „Was, wenn nicht?“ 

In einem Punkt bin ich mir zu hundert, nein, sogar zu tausend Prozent sicher: Diese Chemo tritt der Krankheit nochmals sowas von in den Arsch! Ich muss zwar auch mit den Nebenwirkungen kämpfen, jedoch gibt mir die Kraft der Chemo Sicherheit. Endlich alle Zellen loswerden, endlich den ganzen Scheiß hinter mir lassen. Kann es denn so schwer sein? 

Die Nebenwirkungen waren tatsächlich noch kein einziges Mal so stark, wie im letzten Durchgang, zumindest was die Schleimhäute betrifft. Kein Appetit, Entzündeter Mund, entzündete Zunge. Reden ging nur mit Mühe, essen eigentlich gar nicht. Wenn ich einen Liter stilles Mineralwasser am Tag runter bekam war ich schon mehr als zufrieden mit mir. Dieser verfluchte Teufelskreis, zu wenig Essen = Bauchschmerzen, zu wenig Trinken = Kopfschmerzen. Kaputt und müde war ich zusätzlich natürlich auch noch. Aber egal dachte ich mir die ganze Zeit. Ganz egal, je stärker die Chemo ist, desto wahrscheinlicher ist es den ganzen Müll endlich los zu sein und endlich einen weiteren Schritt Richtung Gesundheit zu machen. Bei allem was ich jetzt noch über mich ergehen lassen muss denke ich mir: „Es ist bald vorbei, endlich vorbei.“ 

Meine Gesundheit steht und wird auch immer an erster Stelle stehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt hat man aber einfach keine Lust mehr, man hat es satt. Ich würde niemals in meinem Leben aufhören zu kämpfen, zu keinem Zeitpunkt. Ich würde das ganze Prozedere auch wieder und wieder über mich ergehen lassen, weil ich weiß, dass ich wieder gesund werde und ein normales Leben führen kann Irgendwann ist die Geduld jedoch an einem Punkt, an dem man sich sagt: Hey, reicht jetzt auch. Genug mit Schmerzen, genug mit Nebenwirkungen, genug mit Behandlungen, genug mit Spritzen, genug mit Tabletten und vor allem genug mit Krankenhaus. 

Es liegen noch ein paar Tage Krankenhaus vor mir, in denen ich stationär aufgenommen bin und hierbleiben muss. Die 24h-Chemo tropft neben mir bereits und läuft langsam, aber sicher in meine Venen. Ich merke davon nichts, wie immer, aber natürlich weiß ich, dass auch dieses Mal wieder einiges auf mich zukommen kann. Es ist so trügerisch. Still und leise läuft die giftgelbe Flüssigkeit in den Körper, ohne dass man es auch nur ansatzweise etwas spürt und Tage später BOOM zeigt das gute Mittel, was es wirklich draufhat.

Nach dem stationären Aufenthalt muss ich alle zwei Tage wieder ins Krankenhaus kommen, um meine Werte kontrollieren zu lassen und wenn diese wieder in Ordnung sind, ist die Intensivtherapie vorbei. Vorbei? Einfach vorbei. Es ist für mich noch so unglaublich surreal. War nicht gerade eben noch Dezember? Haben wir nicht gerade erst gesagt: „Wenn der Sommer vorbei ist, dann ist es fast geschafft.“ Und wo stehen wir jetzt? Es ist Herbst! Die Blätter fallen endlich von den Bäumen, es regnet den ganzen Tag und die letzte Chemotherapie ist im Gange. Meine Haare werden immer dichter, körperlich werde ich von Chemopause zu Chemopause fitter und auch mental geht es mir verdammt gut. Der letzte Chemoblock, was für ein komisches Gefühl. 

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass auch während der Erhaltungstherapie noch sehr, seeehr viel auf mich zukommen wird und dass auch diese Therapie kein Spaziergang wird, doch der größte Teil ist geschafft und hey, ich bin verdammt stolz auf mich! 

Ich habe Spritzen über mich ergehen lassen, wurde so oft gepikst, dass alle meine Venen komplett vernarbt sind, ich habe mindestens 50% meiner Zeit im Krankenhaus verbracht und wenn nicht im Krankenhaus, dann auf der Couch oder im Bett. Meine Haare mussten sich verabschieden, und zwar alle Haare, im Gesicht sehe ich aus, als würde ich 100 Kilo wiegen, während ich tatsächlich 10 Kilo abgenommen habe. Das alles ist aber egal, denn ich habe niemals mein Gesicht verloren. Ich habe niemals die Freude am Leben und an den schönen Dingen verloren. Ich bin immer noch ich, ein offener, vor allem lebensfroher und positiver Mensch. Meine Familie und meine Freunde müssen so viel mit mir durchmachen und auch ihr könnt allesamt so verdammt stolz auf euch sein, denn ich war bestimmt nicht die ganze Zeit über so erträglich.

Noch ein paar Wochen und ich mache den nächsten riesigen Schritt Richtung Zukunft, Richtung Gesundheit und es gibt nichts auf das ich mich mehr freue. 

Der Sommer ist vorbei – endlich.

Die Zeit rennt. Der Sommer ist vorbei. Drei teils grauenhafte, aber auch teils wunderschöne Monate sind vorüber und der Herbst steht vor der Tür. „Wenn erstmal der Sommer vorbei ist, dann ist das Ende in Sicht“, haben wir zum Anfang der Therapie immer gesagt. „Ist der Sommer überstanden, ist der Rest eine Kleinigkeit.“ Jetzt ist es soweit, der Sommer ist vorbei. Wieder sitze ich im Krankenhaus und hoffe so sehr, dass meine Werte immer besser werden und sich alles weiterhin positiv entwickelt. 

Mein Sommer-Resümee? Die Hitze hat mich in die Knie gezwungen. Sobald die 30 Grad Marke geknackt wurde, war es für mich ein Ding der Unmöglichkeit die Zeit draußen zu verbringen. Aus meiner geliebten Sonne wurde mein größter Feind. Je länger der letzte Zyklus und somit auch die letzte Chemo vergangen waren, desto besser kam ich mit den Temperaturen klar. Die letzten Wochen konnte ich dick eingecremt und mit absolut hässlichem Sonnenhut sogar ein wenig Vitamin D tanken.  Lasst euch sagen: Es hat so gutgetan! Urlaub – nur Zuhause. Zeit mit den Liebsten verbringen, lecker essen, die Sonnenstrahlen genießen und sich nicht mehr vor ihnen verstecken. Unternehmungen, am Wasser, am Meer. Lange Spaziergänge und sogar Feiern, was ich mir noch vor kurzer Zeit niemals zugetraut hätte. Es fühlt sich so normal an, ich fühle mich wieder stärker. Manchmal fällt es mir sehr schwer alles zu verstehen, manchmal möchte es einfach nicht in meinen Kopf gehen. Ich bin fit, die meiste Zeit zumindest, unternehme viele Sachen, fühle mich gut und lache viel. Trotzdem sitzt da etwas in meinem Körper, was bösartig ist und was meinen Zustand immer wieder verschlechtern könnte. Ich fühle mich gesund, klar bin ich körperlich schwach, aber mein Allgemeinwohlsein ist gut, doch da lauert in meinem Körper etwas, was mich kaputt machen könnte. In solchen wundervollen Momenten, wie dem kleinen „Urlaub“ und die Zeit mit meinen Liebsten lassen mich einfach vergessen, dass dieses bösartige Zeug in meinem Blut überhaupt existiert und das ist auch gut so!

Jede Sekunde, die es mir so gut geht macht mich stärker. Jede Minute, die ich nicht daran denken muss und mich normal fühlen kann gibt mir so viel. 

Ich bin an dem Punkt, auf den ich seit letztem Dezember gewartet habe, der Sommer ist vorbei. Es geht in die letzte Phase. Die vorletzte Therapie ist gerade im Gange und darauf folgt noch ein ziemlich langer Zyklus, der in 2 Blöcke aufgeteilt wird. Dieser momentane Block ist nicht sonderlich stark, die Ärzte rechnen mit wenig Nebenwirkungen, doch der nächste wird noch einmal härter. Aber sind wir doch mal ganz ehrlich? Das stehe ich jetzt auch noch durch. Neun Monate sind wie im Flug vergangen und ich blicke nun auf den Endspurt. Die letzten Blöcke, um der Leukämie und diesen beschissenen Zellen nochmal so richtig in den Arsch zu treten. Sie sollen weg sein, wegbleiben und das für immer. Das Ziel ist November und darauf folgen noch 1,5 Jahre Erhaltungstherapie. Aber erst einmal November. Der Sommer ist überstanden und das Versteckspiel vor der Sonne vorbei. Neun Monate pendeln zwischen Krankenhaus und zu Hause sind um, sieben Chemos geschafft, bald acht. Zwei Monate liegen jetzt noch vor mir. Zwei Monate, die ich im Krankenhaus verbringen muss und Chemo bekomme. Zwei Monate den Zellen noch einmal richtig Feuer geben, damit das alles endlich ein Ende hat. Ich habe keine Lust mehr, möchte ein normales Leben. Möchte nicht immer als erste nach Hause, weil ich kaputt bin, möchte mich in die Sonne legen ohne gleich Allergien, Infektionen oder Sonstiges befürchten zu müssen. Vor allem aber möchte ich in der Zukunft irgendwann wieder voller Stolz sagen können „ich bin gesund.“ 

Mich gibt’s auch noch.


Lang ist’s her seit ich mich das letzte Mal hier gemeldet habe. Ziemlich still ist es um mich geworden. Aber was soll ich erzählen, wenn es nichts zu erzählen gibt? Was soll ich schreiben, wenn alles immer gleich abläuft. Es hätte einfach keinen Sinn gemacht einen Beitrag zu schreiben über Dinge die eh schon alle wissen. 
Nach einem langen Zeitraum, einigen Chemos und einer kleinen, schwarzen Haarpracht, die mir momentan wieder ausfällt, gibt es tatsächlich wieder mehr zu berichten. Es hat sich etwas geändert, eine Sache, die mir überhaupt nicht zu Gute kommt und mir wirklich ordentlich zu schaffen macht: das Wetter. Ich kann einfach nur sagen, wenn man als gesunder Mensch denkt: „Boah, das Wetter kann man echt nur im Wasser aushalten“, oder „Ich bin so kaputt bei der Hitze“, dann sollte man mal einen Menschen fragen, der Chemotherapie bekommt. Halleluja! Sagen wir es mal so, eigentlich habe ich mich die letzten zwei Wochen vor der Sonne und der Hitze versteckt. Die 15 Grad momentan sind für mich ein absoluter Segen. Ich bin vermutlich der einzige Mensch, der sich über die Kälte freut. Eigentlich liebe ich die Sonne, ich liebe es Dinge mit Freunden zu unternehmen und die Hitze im See oder Schwimmbad auszuhalten. See und Schwimmbad? Ach, da war ja was, darf man natürlich während der Therapie absolut nicht und auf keinen Fall. Also sitze ich in meiner Wohnung und bin mehr als dankbar, dass die schön kühl ist, obwohl wir im 7. Stock wohnen. Kleinere Ausflüge zum Wochenmarkt oder zum Einkaufen in der Sonne haben mich immer sofort in die Knie gezwungen. Wenn ich nach so einer Aktion wieder Zuhause angekommen bin, musste ich mich erstmal aufs Sofa legen und mich erholen… vom Einkaufen… in einem Geschäft, das zu Fuß 2 Minuten von der Wohnung entfernt ist. Es ist absolut nervig, dass man nicht wirklich Kontrolle über seinen Körper hat. Natürlich möchte ich tun und machen, aber es geht einfach manchmal nicht so wie will. 

Hier im Norden ist das Wetter zwischendurch immer wieder sehr abgekühlt und zu quälenden Temperaturen wie 35 Grad oder höher ist es gar nicht gekommen, worüber ich so unfassbar froh bin. Jeder Windzug, jede Wolke ist für mich ein absoluter Segen. Sobald es ein wenig abgekühlt ist auf 25 Grad geht es mir auch wieder blendend und ich merke nichts von der Krankheit und der Therapie, doch wenn es so ekelhaft drückend und schwül draußen wird, kann man eigentlich fest damit rechnen, dass ich den ganzen Tag in meiner Wohnung auf der Couch verbringe und eine Koch-Show nach der nächsten schaue, um der Hitze aus dem Weg zu gehen. 

Ich beneide alle Leute so sehr, die sich in die Sonne legen, im See schwimmen oder einfach andere schöne Dinge in der Sonne machen, ohne gleich halb ins Koma zu fallen. Aber guess what? Nächstes Jahr mache ich das auch alles wieder. Bis dahin werde ich einfach immer erst gegen 21 Uhr das Haus verlassen, wenn es abgekühlt ist. Passend dazu, dass ich zurück ins Krankenhaus gegangen bin haben sich die Temperaturen zum Glück auch zurückgenommen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es hier die letzten Wochen gewesen sein muss, so ohne Klimaanlage und jegliche Möglichkeit zu lüften. Nicht lüften? Nö, das darf man hier nicht mehr, weil die Luft in den Zimmern extra gefiltert wird, um Infektionsgefahren zu vermindern und Bakterien zu verringern. Die heiße Luft lässt sich dadurch aber natürlich nicht wegfiltern. Es wäre vermutlich die Hölle geworden. 

An sich geht es mir sehr gut. Mein Gesicht ist durch die Medikamente zwar immer noch sehr aufgedunsen und ich wünsche mir wirklich sehr mein normales Gesicht zurück, doch ansonsten habe ich keine Beschwerden und bin tatsächlich wirklich fit. Ich fühle mich überhaupt nicht krank und bin weder kaputt, noch habe ich andere Probleme. Die kurzen Aufenthalte im Krankenhaus sind wirklich schön und gerade merke ich von der Chemo noch nichts und kann meine Zeit, ob hier in Bremen oder in Bremerhaven sinnvoll nutzen, mit meinen Freunden und meiner Familie. So schlimm die Krankheit auch ist, durch sie merke ich immer wieder wie unglaublich eng meine Bindung zu meiner Familie ist und wie wichtig mir diese Nähe zu meinen Verwandten ist. Meine Mama und mein Papa würden vermutlich Bäume für mich ausreißen, wenn sie müssten und dafür bin ich sehr dankbar. Natürlich verbringe ich auch viel mehr Zeit als vorher mit meiner Familie und das möchte ich nicht mehr missen. 


Auch wenn bei mir momentan medizinisch nicht alles zu 100% glatt läuft und die Ärzte nicht zu 100% zufrieden sind, habe ich immer Menschen um mich herum, die mich auffangen, die mir Kraft geben und mit denen ich immer offen über jede Kleinigkeit, jeden minimalen Rückschlag und natürlich jeden Erfolg sprechen kann. 

Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist, ist das man durch die Gespräche im Krankenhaus und natürlich auch viel durch Social Media über andere Schicksale mit der Krankheit Leukämie erfährt, sowohl positiv als auch negativ. Die erste Reaktion, die dann natürlich im Kopf passiert, ist sich mit dem Schicksal zu vergleichen und genau das ist ein absoluter Fehler! Ganz am Anfang war eine der ersten Dinge, die mir meine erste Bettnachbarin mitgegeben hat: „Vergleiche dich nicht mit anderen. Jeder hier hat seine eigene Geschichte und keiner hier gleicht dem anderen.“ Und wie recht sie hatte! Wenn man seine Zeit zwangsläufig im Krankenhaus verbringt wird man immer Patienten erleben, bei denen die Krankheit nicht so gut bekämpft werden kann und im schlimmsten Fall erlebt man sogar einen Todesfall. All diese natürlich belastenden Eindrücke darf man niemals auf sich selbst projizieren. Nur weil ein anderer Patient schlimme Nebenwirkungen hat, heißt es noch lange nicht, dass du das auch hast und nur weil die Chemo bei dem einen schlechter anschlägt, heißt es nicht, dass es bei dir auch so ist. Dieser eine Satz meiner Bettnachbarin hat absolut dazu beigetragen, dass ich solche Storys nicht zu nah an mich heranlasse, geschweige denn mit mir vergleiche. Der menschliche Körper ist so komplex und bei jedem Menschen so verschieden. Egal ob Alter, Gewicht, Größe, die Form der Krankheit und natürlich die Einstellung machen einen riesen Unterschied bei jedem Einzelnen im Therapieverlauf. Also niemals den Kopf hängen lassen und bloß nicht durch andere Geschichten verunsichern lassen. Du bist stärker! 

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