Lang ist’s her seit ich mich das letzte Mal hier gemeldet habe. Ziemlich still ist es um mich geworden. Aber was soll ich erzählen, wenn es nichts zu erzählen gibt? Was soll ich schreiben, wenn alles immer gleich abläuft. Es hätte einfach keinen Sinn gemacht einen Beitrag zu schreiben über Dinge die eh schon alle wissen.
Nach einem langen Zeitraum, einigen Chemos und einer kleinen, schwarzen Haarpracht, die mir momentan wieder ausfällt, gibt es tatsächlich wieder mehr zu berichten. Es hat sich etwas geändert, eine Sache, die mir überhaupt nicht zu Gute kommt und mir wirklich ordentlich zu schaffen macht: das Wetter. Ich kann einfach nur sagen, wenn man als gesunder Mensch denkt: „Boah, das Wetter kann man echt nur im Wasser aushalten“, oder „Ich bin so kaputt bei der Hitze“, dann sollte man mal einen Menschen fragen, der Chemotherapie bekommt. Halleluja! Sagen wir es mal so, eigentlich habe ich mich die letzten zwei Wochen vor der Sonne und der Hitze versteckt. Die 15 Grad momentan sind für mich ein absoluter Segen. Ich bin vermutlich der einzige Mensch, der sich über die Kälte freut. Eigentlich liebe ich die Sonne, ich liebe es Dinge mit Freunden zu unternehmen und die Hitze im See oder Schwimmbad auszuhalten. See und Schwimmbad? Ach, da war ja was, darf man natürlich während der Therapie absolut nicht und auf keinen Fall. Also sitze ich in meiner Wohnung und bin mehr als dankbar, dass die schön kühl ist, obwohl wir im 7. Stock wohnen. Kleinere Ausflüge zum Wochenmarkt oder zum Einkaufen in der Sonne haben mich immer sofort in die Knie gezwungen. Wenn ich nach so einer Aktion wieder Zuhause angekommen bin, musste ich mich erstmal aufs Sofa legen und mich erholen… vom Einkaufen… in einem Geschäft, das zu Fuß 2 Minuten von der Wohnung entfernt ist. Es ist absolut nervig, dass man nicht wirklich Kontrolle über seinen Körper hat. Natürlich möchte ich tun und machen, aber es geht einfach manchmal nicht so wie will.



Hier im Norden ist das Wetter zwischendurch immer wieder sehr abgekühlt und zu quälenden Temperaturen wie 35 Grad oder höher ist es gar nicht gekommen, worüber ich so unfassbar froh bin. Jeder Windzug, jede Wolke ist für mich ein absoluter Segen. Sobald es ein wenig abgekühlt ist auf 25 Grad geht es mir auch wieder blendend und ich merke nichts von der Krankheit und der Therapie, doch wenn es so ekelhaft drückend und schwül draußen wird, kann man eigentlich fest damit rechnen, dass ich den ganzen Tag in meiner Wohnung auf der Couch verbringe und eine Koch-Show nach der nächsten schaue, um der Hitze aus dem Weg zu gehen.
Ich beneide alle Leute so sehr, die sich in die Sonne legen, im See schwimmen oder einfach andere schöne Dinge in der Sonne machen, ohne gleich halb ins Koma zu fallen. Aber guess what? Nächstes Jahr mache ich das auch alles wieder. Bis dahin werde ich einfach immer erst gegen 21 Uhr das Haus verlassen, wenn es abgekühlt ist. Passend dazu, dass ich zurück ins Krankenhaus gegangen bin haben sich die Temperaturen zum Glück auch zurückgenommen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es hier die letzten Wochen gewesen sein muss, so ohne Klimaanlage und jegliche Möglichkeit zu lüften. Nicht lüften? Nö, das darf man hier nicht mehr, weil die Luft in den Zimmern extra gefiltert wird, um Infektionsgefahren zu vermindern und Bakterien zu verringern. Die heiße Luft lässt sich dadurch aber natürlich nicht wegfiltern. Es wäre vermutlich die Hölle geworden.


An sich geht es mir sehr gut. Mein Gesicht ist durch die Medikamente zwar immer noch sehr aufgedunsen und ich wünsche mir wirklich sehr mein normales Gesicht zurück, doch ansonsten habe ich keine Beschwerden und bin tatsächlich wirklich fit. Ich fühle mich überhaupt nicht krank und bin weder kaputt, noch habe ich andere Probleme. Die kurzen Aufenthalte im Krankenhaus sind wirklich schön und gerade merke ich von der Chemo noch nichts und kann meine Zeit, ob hier in Bremen oder in Bremerhaven sinnvoll nutzen, mit meinen Freunden und meiner Familie. So schlimm die Krankheit auch ist, durch sie merke ich immer wieder wie unglaublich eng meine Bindung zu meiner Familie ist und wie wichtig mir diese Nähe zu meinen Verwandten ist. Meine Mama und mein Papa würden vermutlich Bäume für mich ausreißen, wenn sie müssten und dafür bin ich sehr dankbar. Natürlich verbringe ich auch viel mehr Zeit als vorher mit meiner Familie und das möchte ich nicht mehr missen.
Auch wenn bei mir momentan medizinisch nicht alles zu 100% glatt läuft und die Ärzte nicht zu 100% zufrieden sind, habe ich immer Menschen um mich herum, die mich auffangen, die mir Kraft geben und mit denen ich immer offen über jede Kleinigkeit, jeden minimalen Rückschlag und natürlich jeden Erfolg sprechen kann.



Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist, ist das man durch die Gespräche im Krankenhaus und natürlich auch viel durch Social Media über andere Schicksale mit der Krankheit Leukämie erfährt, sowohl positiv als auch negativ. Die erste Reaktion, die dann natürlich im Kopf passiert, ist sich mit dem Schicksal zu vergleichen und genau das ist ein absoluter Fehler! Ganz am Anfang war eine der ersten Dinge, die mir meine erste Bettnachbarin mitgegeben hat: „Vergleiche dich nicht mit anderen. Jeder hier hat seine eigene Geschichte und keiner hier gleicht dem anderen.“ Und wie recht sie hatte! Wenn man seine Zeit zwangsläufig im Krankenhaus verbringt wird man immer Patienten erleben, bei denen die Krankheit nicht so gut bekämpft werden kann und im schlimmsten Fall erlebt man sogar einen Todesfall. All diese natürlich belastenden Eindrücke darf man niemals auf sich selbst projizieren. Nur weil ein anderer Patient schlimme Nebenwirkungen hat, heißt es noch lange nicht, dass du das auch hast und nur weil die Chemo bei dem einen schlechter anschlägt, heißt es nicht, dass es bei dir auch so ist. Dieser eine Satz meiner Bettnachbarin hat absolut dazu beigetragen, dass ich solche Storys nicht zu nah an mich heranlasse, geschweige denn mit mir vergleiche. Der menschliche Körper ist so komplex und bei jedem Menschen so verschieden. Egal ob Alter, Gewicht, Größe, die Form der Krankheit und natürlich die Einstellung machen einen riesen Unterschied bei jedem Einzelnen im Therapieverlauf. Also niemals den Kopf hängen lassen und bloß nicht durch andere Geschichten verunsichern lassen. Du bist stärker!
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